Was ist aus Otl Aichers einstigem Domizil geworden? Ein Ortsbesuch im Allgäu.

Was ist aus Otl Aichers einstigem Domizil geworden? Ein Ortsbesuch im Allgäu.
Befragt: Erik Spiekermann, Schriftgestalter, Autor und Aicher-Kritiker.
Technik: Zentralbegriff und perspektivischer Fixpunkt im Werk von Otl Aicher.
Der britische Architekt Norman Foster über seine Freundschaft zu Otl Aicher: Er war absolut integer.
Gedanken zu Otl Aichers Farbwelten.
Sachlichkeit, Reduktion und ein ausgeprägter Sinn für Ordnung bestimmen den Charakter seiner Bilder: Otl Aicher als Fotograf.
Unter der Regie von Otl Aicher: Designer, Architekten und Landschaftsplaner gestalten die Olympischen Spiele 1972.
Was ist aus Otl Aichers einstigem Domizil geworden? Ein Ortsbesuch im Allgäu.
Inge Aicher-Scholl wahrte das Erbe der Weißen Rose.
Von O bis R: Reden wir zur Abwechslung mal über einen Igel, über Normierung und Neurotis.
Das Internationale Design Zentrum Berlin (IDZ) lädt am 20. Oktober zu einem Diavortrag und Podiumsgespräch in die Architektur Galerie Berlin. Karsten de Riese und Prof. Michael Klar berichten von einer Fotoreportage im Auftrage von BMW, die sie 1975 gemeinsam mit Otl...
Anlässlich des 50. Jubiläums der Olympischen Spiele 1972 lädt das IDZ am 26. August zu einer Diskussion über die Vision der Spiele von München und den Status quo sowie die Zukunft der olympischen Bewegung ein. Die Veranstaltung in der Berliner Akademie der Künste am...
Sie schufen die Signatur einer Epoche: die Gestalter Otl Aicher, Willy Fleckhaus, Anton Stankowski und Kurt Weidemann.
Mit einer Retrospektive zu Otl Aichers 1984 erschienenem Buch „kritik am auto – schwierige verteidigung des autos gegen seine anbeter“ setzt das IDZ seine Veranstaltungsreihe zur Initiative „otl aicher 100“ fort. Der Gesprächsabend findet am 25. Juni 2022 in den...
Heute jährt sich der Geburtstag von Otl Aicher zum hundertsten Mal. Das Internationale Design Zentrum Berlin (IDZ) nimmt dieses Datum zum Anlass, diesen großen Gestalter zu würdigen. Mit otlaicher100.de geht eine neue Onlineplattform an den Start – ein kuratierter...
Das Internationale Design Zentrum Berlin (IDZ) nimmt Otl Aichers hundertstes Geburtsjubiläum zum Anlass, diesen großen Gestalter zu würdigen und sein Werk sichtbar zu machen. Eine Onlineplattform und eine Reihe von Veranstaltungen werden den vielfältigen Themenkosmos...
Über Inge Aicher-Scholl und Otl Aicher.
Eine Stadt leuchtet: Mit seinem farbenfrohen Erscheinungsbild der XX. Olympischen Sommerspiele 1972 setzte Otl Aicher ein Signal. Die junge Bundesrepublik war in der Moderne angekommen.
Otl Aichers Plakatstelen für die Ulmer Volkshochschule Ulm (vh).
Was ist aus Otl Aichers einstigem Domizil geworden? Ein Ortsbesuch im Allgäu.
Otl Aichers Team XI: Grafiker, Zeichner und Techniker aus der ganzen Welt entwarfen das Erscheinungsbild von Olympia 1972 in München.
Aichers Kindheit und Jugend: Die Jahre 1922 bis 1945.
Otl Aichers Leitsysteme für Flughäfen, U-Bahn-Stationen und Krankenhäuser gelten nach wie vor als beispielhaft.
Was ist aus Otl Aichers einstigem Domizil geworden? Ein Ortsbesuch im Allgäu.
Rundruf: Wo ist sein Platz in dieser Zeit?
Die Aichers: Eine knapp gefasste Familiengeschichte.
Zeichnen in Rotis: Die einstige Aicher-Mitarbeiterin Reinfriede Bettrich spricht über Handskizzen, die ersten Computer und den Alltag im Büro.
Wie der Aicher-Nachlass ins HfG-Archiv / Museum Ulm kam.
„Die Küche zum Kochen” – Genese eines Buches, das noch immer aktuell ist.
Wie ein Dackel die Welt eroberte: Die einstige Aicher-Mitarbeiterin Elena Schwaiger über Plüschtiere, Fälschungen und das echte Maskottchen der XX. Olympischen Spiele in München.
Le Violon d’Ingres oder Ein Versuch, die Texte Otl Aichers zu verteidigen.
Otl Aicher als Architekt von Rotis.
Otl Aicher und seine Kritik am Auto.
Erstsendung: 15.02.1971 im Bayerischen Rundfunk, München.
Befragt: Jürgen Werner Braun zu seiner Zusammenarbeit mit Otl Aicher.
Im Gespräch: Design-Ikone Stefan Sagmeister über Schriften, Schönheit und das Vermächtnis von Otl Aicher.
Der einstige Braun-Chef-Designer im Gespräch über den Co-Gründer der Ulmer HfG.
Isny im Allgäu verdankt Otl Aicher ein Corporate Design, das prägnant, mutig und singulär ist.
Sie schufen die Signatur einer Epoche: die Gestalter Otl Aicher, Willy Fleckhaus, Anton Stankowski und Kurt Weidemann.
Befragt: Jürgen Werner Braun zu seiner Zusammenarbeit mit Otl Aicher.
Auf verschlungene Wege gerät, wer verfolgt, wie Aicher sich der Welt bemächtigt: Florian Aicher machte sich auf die Suche nach der lange verschollenen Aicher-Büste – und wurde fündig.
Zum ersten Mal bekam ich sie in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre zu Gesicht. Meine Mutter nahm mich mit in Otl Aichers mir bis dato unbekanntes Refugium in München: eine kleine Wohnung in Rufweite der Akademie, von der so gut wie niemand wusste. Und da stand sie: die fertige Büste, ein Selbstportrait. Das erste Werk plastischer Kunst aus seinen Händen, das mir vor Augen kam.
Kunst?
Das Erstaunen war nicht gering, hatte er doch in unzähligen Gesprächen auseinandergesetzt, dass die Kunst tot sei, dass er sie seit seinem kurzen Studium 1946 an der Münchner Akademie verworfen habe. „kunst ist das nicht verstehbare“1, hatte er erst wenige Jahre zuvor erklärt und vierzig Jahre davor, sie sei „ranzig“2 geworden.
Ein halbes Jahr nach der Hinrichtung seiner Freunde Sophie und Hans Scholl hatte er beschlossen, Bildhauerei zu studieren3 – die plastischste der Künste (lässt man Architektur außen vor). Umgehend widmete er dem Urbild des Bildhauers, Michelangelo, seitenlange Erörterungen. Nach kurzer Zeit an der Akademie befand er freilich, dort nichts mehr lernen zu können. Er habe bald, so erzählte er, seinen eigenen Stil gefunden – die Bearbeitung des noch feuchten Tons mit einer Dachlatte.
Doch welch umstürzende Ereignisse seit dem Entschluss von 1943! Das NS-Regime ist beseitigt, seine Geburtsstadt liegt in Schutt und Asche, aus der Tabula rasa soll Neues entstehen. Mit Inge Scholl4 und Freunden prägt er das neue Ulm, gestaltet Plakate für die Volkshochschule. Nun gilt: „Schönheit in der gepflegten Sachlichkeit und Durchsichtigkeit der Zwecke“5. Im Hintergrund bleibt das Idol: „der motor, die erregung seiner freude, die düfte der zeit und der welt, wie sie heute ist.“6
Portrait Otl Aicher von Karsten de Riese. © Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv / Karsten de Riese
Cover ARCH+, April 1989. Foto: Tim Rautert bearbeitet von Dieter Masuhr.
Portrait Otl Aicher von Karsten de Riese. © Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv / Karsten de Riese
Otl Aicher, Selbstportrait. Skizze aus: otl aicher schreiben und widersprechen, Berlin 1993, S. 137.
Verbleib?
Mittelpunkt der zweiten Hälfte seines Schaffenslebens bildet der Ort Rotis, wo er seinen systematischen Gestaltungsansatz demonstriert7. Abseits dieses Kabinettstücks, hinter zunehmend dichterer Hecke, liegt ein Garten, später um einen „Geräteschuppen“ ergänzt. Es hat einige Jahre gebraucht, bis ich ihn entdeckte und dann fand: Die Hälfte barg Gartengerät, die andere Hälfte ein klandestines Atelier, wo er an Büsten von Sophie und Hans Scholl arbeitete.
Kurz vor seinem tödlichen Unfall waren die beiden Köpfe in Ton fertig.8 Nach dem Tod wurde die Kunstgießerei Niedermeier am Gollierplatz in München mit je zwei Abgüssen beauftragt. Eine Fassung ging im Zuge der Überlassung seines Nachlasses an die Stadt Ulm, die andere gelangte in den privaten Bestand von Inge Aicher-Scholl – ebenso wie die Büste ihres Mannes nach Auflösung der Münchner Adresse.
Bei den Recherchen zur Website „Otl Aicher 100“ kam die Rede auch auf die Otl-Aicher-Büste. Doch niemand konnte zum Verbleib etwas sagen – weder das HfG-Archiv noch die Familie. Eines Tages dehnte ich die Recherche auf den Nachlass von Inge Aicher-Scholl aus und erhielt vom Institut für Zeitgeschichte (IfZ) die Auskunft, es existiere dort eine dritte Büste. „Alexander Klotz, der den Bestand maßgeblich erschlossen hat, nimmt mit hoher Wahrscheinlichkeit an, dass es sich um Robert Scholl handelt. Falls Sie anderer Meinung sind, sind wir für Hinweise natürlich dankbar. Die Büste war, wie auch die beiden anderen Büsten, Teil des dem IfZ 2002 von Manuel Aicher übereigneten Nachlass- und Sammlungsbestandes ‚Weiße Rose/Inge Aicher-Scholl‘ (heute Bestand ED 474).“9 Großzügig räumte das Institut dem Fotografen Stefan Ibele und mir einen Termin ein und stellte Räumlichkeiten zur Verfügung, um die Büste abzulichten. Damit wird sie erstmals der Öffentlichkeit zugänglich.
Büste Selbstportrait Otl Aicher, Bronze; Foto: Stefan Ibele, Rotis, Februar 2023; Standort Institut für Zeitgeschichte, München.
Büste Selbstportrait Otl Aicher, Bronze; Foto: Stefan Ibele, Rotis, Februar 2023; Standort Institut für Zeitgeschichte, München.
Foto: Stefan Ibele, Rotis, Februar 2023; Standort Institut für Zeitgeschichte, München.
Realistisch?
Die Identifizierung der Büste fiel nicht schwer. Sie gibt ihren Schöpfer fast realistisch wieder. Mehr noch: Sie zeigt ihn in einer Pose, die er in skizzierten Selbstportraits10 wählt und die man von Fotografien der 1980er Jahre11 kennt.
Einige dieser Fotos lagen dem Kollegen und Lehrer der Fotografie, Thomas Lüttge, vor. Er bemerkt: „Der gesamte Ausdruck von Kopfhaltung, Mundpartie und Gestik der Hände sind voller Kraft und deutlicher Formensprache. Nur die Augen bleiben fern gerichtet. Bedeutsam ist, was er mit dem Mund und der gesamten Mundpartie eindrucksvoll zum Ausdruck bringt. Jedes Mal anders und neu erscheinen dort alle Arten von menschlicher Vitalkraft: Mut, Kühnheit, Wille, Anspruch, Ausgelassenheit und Durchsetzungskraft, auch Hybris, Eitelkeit, Humor und Stolz, dann auch Sinnlichkeit, Begeisterung, Verlegenheit, Genuss und vieles mehr. Das Verhältnis von unterer zu oberer Gesichtspartie sagt etwas über die Bedingungen eines Menschen aus. In den Bildern von Otl Aicher erlebe ich zwischen oberem und unterem Bereich ein besonderes Spannungsfeld, einen Moment des Ausgleichs seiner widersprüchlichen Kräfte, auch als Tragik seines Lebens.“12
Vergeistigung, verdeutlicht durch die geschlossenen Augen, und Machtbewusstsein, ausgedrückt durch das vorgereckte Kinn – ein merkwürdiger Kontrast, der die Bildnisse der 1980er Jahre durchzieht. Wer Otl Aicher in diesen Jahren erlebt hat, kennt ihn meist anders. Doch für ihn zählt: Die Welt als Entwurf.13 Er skizziert, modelliert sich als Macher – entrückt, entschlossen, leidgeprüft. Bemerkenswert, wie sehr diese Pose sogar in manches Bild des „Abbild-Mediums“ Fotografie Eingang findet. Und doch: Diese Ikone ist Fragment. Hans C. Conrads Fotos der 1950er Jahre etwa zeigen es.14
Entrückt, entschlossen, leidgeprüft: wie Aicher sich selbst sah. Foto: Stefan Ibele, Rotis, Februar 2023; Standort Institut für Zeitgeschichte, München.
Entrückt, entschlossen, leidgeprüft: wie Aicher sich selbst sah. Foto: Stefan Ibele, Rotis, Februar 2023; Standort Institut für Zeitgeschichte, München.
Foto: Stefan Ibele, Rotis, Februar 2023; Standort Institut für Zeitgeschichte, München.
Büste Selbstportrait Otl Aicher, Bronze; Foto: Stefan Ibele, Rotis, Februar 2023; Standort Institut für Zeitgeschichte, München.
Florian Aicher, *1954 in Ulm, ältester Sohn von Otl Aicher, Studium der Architektur an der Staatsbauschule Stuttgart, Praktikum in Buffalo/USA, dann drei Jahre Berufspraxis bei Werner Wirsing, München. Ab 1981 selbständig; neben Planung im Bereich Hochbau, Entwurf von Möbeln, Lehrtätigkeit an Hochschulen in Deutschland und Österreich; zuletzt an der Fachhochschule Kärnten. Journalistische Tätigkeit. Veröffentlichungen in internationalen Zeitschriften und Büchern, zahlreiche Publikationen zu den Bedingungen für das Gelingen von Architektur. Lebt seit 2005 in Rotis, Allgäu.
Inge Aicher-Scholl wahrte das Erbe der Weißen Rose.
Otl Aichers Team XI: Grafiker, Zeichner und Techniker aus der ganzen Welt entwarfen das Erscheinungsbild von Olympia 1972 in München.
Was ist aus Otl Aichers einstigem Domizil geworden? Ein Ortsbesuch im Allgäu.