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Hans G. Conrad war der erste Studierende der Hochschule für Gestaltung Ulm. Der im Schweizer Kanton Aargau geborene Conrad war lediglich vier Jahre jünger als Otl Aicher. Bereits Anfang 1953 hatte er sich in Ulm eingeschrieben, obwohl der Unterricht erst im August begann. Im persönlichen Kontakt mit Aicher, mit Inge Aicher-Scholl und Gründungsrektor Max Bill war er nach Ulm gelangt. Mit Aicher arbeitete er am System für den Ausstellungspavillon für die Deutsche Rundfunk-, Phono- und Fernseh-Ausstellung in Düsseldorf 1955. Dieser Pavillon diente als Rahmen für neuartige Produkte, indem er zeitgenössisches Wohnen und Braun-Produkte in einen Kontext brachte. Das half das Image und Erscheinung des Unternehmens Max Braun aus Frankfurt maßgeblich zu verändern. Der Stand bildete den Rahmen für die Phono-Radio-Kombination „Braun SK4 Phonosuper“, hauptsächlich gestaltet von Hans Gugelot und Dieter Rams – auch Wilhelm Wagenfeld, Otl Aicher und Herbert Lindinger hatten an Details des Gerätes mitgewirkt.

Ab 1958 leitete Conrad die Messe- und Ausstellungsgestaltung bei Braun, 1962 wechselte er als Werbeleiter zur Lufthansa. Von 1969 wirkte Conrad im Ausschuss für Visuelle Gestaltung der Olympischen Spiele München (dessen Vorsitzender Anton Stankowski war). Hans G. Conrad war als Ansprechpartner, Begleiter und Unterstützer Aichers auf Seiten seiner frühen, bedeutenden Auftraggeber, von großer Bedeutung. Ab 1970 gehörte Conrad der Chefredaktion der Zeitschrift Capital an. Und stets war er sachlicher Bildchronist seiner Umgebung.

Der Kölner Publizist, Werber und Hochschullehrer René Spitz promovierte mit einem Werk über die Organisationsgeschichte der HfG Ulm von ihren Anfängen bis zum Ende. Als Professor lehrt er heute an der Rheinischen Fachhochschule Köln Designwissenschaft, Design- und Kommunikationsmanagement. Spitz bereitet seit Jahren das umfangreiche fotografische Werk Hans G. Conrads auf und publiziert es in sorgfältig edierten Bänden, zuletzt erschien 2021 ein Buch über die Lehrtätigkeit von Josef Albers in Ulm („Interaction of Albers“), nun folgt „aicher in ulm“. Ihm gehe es darum, sagt Spitz, „Sachverhalte zu dokumentieren, damit sie folgenden Studien als Grundlage dienen können.“

Das Werk enthält mehr als 900 Abbildungen, davon 800 Fotos, die Aicher mit Studierenden und Lehrenden zeigen, in seiner Tätigkeit für Unternehmen wie Braun oder die Stuttgarter Gardinen (ein weniger bekanntes Corporate Design-Projekt Aichers aus den 1960er Jahren). Auch Resultate seiner Typografielehre sind hier dokumentiert. Aicher ist zu sehen, wie er sich für Motorradrennen begeistert und wie er an der geschwungenen Theke der HfG Ulm feiert, ebenso wie er Gäste der HfG Ulm – von Theodor Heuss bis Konrad Lorenz – empfängt und informiert. Ein Essay des Kulturwissenschaftlers Thilo Koenig ordnet Conrads Bilder in ihren fotohistorischen Kontext ein. René Spitz selbst trägt einen Text über Aichers Lehre in Ulm bei. Die Gestaltung des Buches stammt von Petra Hollenbach.

René Spitz (Hg.): Hans G. Conrad: aicher in ulm. Vorworte von Alexander Wetzig, Stiftung Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm, und Volker Troche, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, Essen.

344 Seiten, zweisprachig deutsch/englisch
Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln 2022
78 Euro