Was ist aus Otl Aichers einstigem Domizil geworden? Ein Ortsbesuch im Allgäu.
Schon im Vorwort wird mit Superlativen nicht gegeizt: Einen der „bedeutendsten“ und „einflussreichsten“ Gestalter des 20. Jahrhunderts ehrt dieses Buch. In der „langen Reihe seiner Meisterwerke“ rage das Erscheinungsbild der Olympischen Spiele 1972 „als größtes, sichtbarstes und bekanntestes“ heraus. Das Wort „Prachtband“ gehört gar zum Titel des neuesten, 256 Seiten starken Aufsatz- und Bildwerks über Otl Aicher. Herausgeber sind der Philosoph Wilhelm Vossenkuhl und der Architekturhistoriker Winfried Nerdinger, die Aicher zu Eingang des Buches als Denker vorstellen. Aicher als Lehrer porträtieren Beiträge von René Spitz („Die Doktrin des moralischen Designs“) und Tobias Hoffmann, dessen Text die von Aicher oftmals bestrittene „Einheit von Kunst und Design“ zum Gegenstand hat. Die Designer Wolfgang Sattler (Weimar) und Hannes Gump (München) schreiben über Industriedesign und über Farbe, während Dagmar Rinker das Wirken der Entwicklungsgruppe 5 der Ulmer Hochschule für Gestaltung darstellt, mit der Aicher Industrieaufträge wie das Erscheinungsbild für die Lufthansa realisierte, um auf deren Basis nach und nach ein eigenes Büro aufzubauen. Designer Jan-Erik Baars, der in Luzern Designmanagement lehrt, spürt dem Verhältnis von „Gestalten und Verwalten“ bei Aicher nach.
Das Kapitel „Olympia 1972“ nimmt einen Perspektivwechsel im ansonsten biographisch strukturierten Band vor. Hier beschreibt der multidisziplinär tätige Designer Kilian Stauss das Wirken der Abteilung XI (Visuelle Gestaltung) des Organisationskommittees der Münchner Spiele, in der sein Vater Eberhard Stauss eng mit deren Leiter Aicher zusammenwirkte. Kilian Stauss setzt sich seit Langem und mit Nachdruck für die Bewahrung des gestalterischen Erbes auf dem Olympiagelände ein. Am Beispiel München thematisiert die Kulturwissenschaftlerin Simone Egger „Die gebaute Welt und das Bild der Stadt“.
Grafische Entwurfstätigkeit spielt in den Texten von Gillermo Zuaznabar, Linus Rapp und Tino Graß eine übergeordnete Rolle. Sie würdigen Aicher als Architekten, Fotografen, Typografen und Schriftgestalter, bevor abschließend ein Text von Architekt Norman Foster neu erscheint: „Mein Freund Otl Aicher“.
„Es geht heute darum“, heißt es im Vorwort des Bandes, „dass wir Aicher wieder entdecken, erkennen und verstehen.“ kte
Winfried Nerdinger, Wilhelm Vossenkuhl (Hrsg.):
Otl Aicher – Designer, Typograf, Denker. Prachtband mit 250 Abbildungen. Gebunden mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-7913-7943-2, Prestel Verlag, München, 2022
49 Euro